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Ein halber Liter, der Leben rettet

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2025

„Versorgung der Patienten gefährdet – Uniklinik Essen braucht Blut“

Diese Schlagzeile vom November 2024 in der „Westfälischen Allgemeinen Zeitung“ ließ aufhorchen. Die Zahl der Blutspenden sinkt seit Jahren und nun unterschritt sie einen kritischen Wert. Aber was passiert eigentlich genau mit dem Blut nach der Spende? Und wie motiviert man Menschen, Blut zu spenden?

Die xtra zu Besuch bei Dr. Verena Börger im Institut für Transfusionsmedizin der Uniklinik Essen

Text: Melanie Steffens
Fotos: Sebastian Wolf

Das Universitätsklinikum Essen braucht inklusive der angeschlossenen Krankenhäuser jedes Jahr 32.000 Blutspenden. Etwa 8.000 stammen dabei aus dem eigenen Blutspendezentrum, der Rest wird zugekauft. Insgesamt werden jeden Tag in Deutschland in etwa 10.600, in Österreich 1.000 und in der Schweiz 700 Blutspenden benötigt.

Das Vollblut wird zunächst in seine Bestandteile aufgetrennt: Erythrozyten, Thrombozyten, Leukozyten und Blutplasma. Mit Erythrozytenkonzentraten werden unter anderem Patientinnen und Patienten versorgt, die einen hohen Blutverlust erlitten haben, etwa bei Unfällen oder Operationen. Thrombozytenkonzentrate finden ihren Einsatz zum Beispiel bei Menschen mit bösartigen Erkrankungen der Blutbildung im Knochenmark (Leukämien, Lymphome). Das Plasma wird bei Volumenmangel oder Gerinnungsstörungen bei Massivblutungen oder zur Herstellung von Medikamenten wie Albumin, von Gerinnungsfaktoren oder Immunglobulinen genutzt. Die Leukozyten hingegen finden keine Verwendung.

Nach der Spende folgt die Auftrennung

„Das gespendete Vollblut wird zunächst auf 20 Grad Celsius gekühlt und nach einer Stunde zentrifugiert“, erklärt Dr. Verena Börger. Danach erfolgt die automatische Auftrennung anhand des Gewichts der Blutbestandteile. Der komplette Vorgang wird in einem geschlossenen Beutelsystem durchgeführt, um die Kontamination mit Bakterien oder Staub zu verhindern. Die resultierenden Produkte sind das Erythrozytenkonzentrat, Plasmakonserven sowie der Buffy Coat, der die Thrombozyten und Leukozyten enthält. Für die Herstellung von Thrombozytenkonzentraten werden vier blutgruppengleiche Buffy Coats gepoolt. Anschließend werden die Leukozyten mithilfe eines Filters entfernt.

Die weitestgehende Entfernung der Leukozyten aus den Blutprodukten, die Leukozytendepletion, ist dabei von höchster Bedeutung für deren Sicherheit. Denn diese Restzellen können unerwünschte Reaktionen bei der Empfängerin oder dem Empfänger hervorrufen, darunter Fieber oder die Bildung von Antikörpern gegen Oberflächenstrukturen der Leukozyten. Darüber hinaus könnten mit den weißen Blutkörperchen zellständige Viren übertragen werden. Ihre Obergrenze ist daher in der Richtlinie Hämotherapie festgelegt.

Streng geregelte Qualitätskontrolle

Um sicherzustellen, dass die Leukozytendepletion erfolgreich war, erfolgt eine Qualitätskontrolle der Blutprodukte. Denn es dürfen in Deutschland nur Erythrozytenkonzentrate, Thrombozytenkonzentrate und Frischplasma in Verkehr gebracht werden, die einen Restleukozytengehalt von 1 x 106 pro Einheit (Blutkonserve) aufweisen.

Seit einiger Zeit wird am Uniklinikum Essen die Konzentration der Restleukozyten mit dem Blood Bank mode des XN-Hämatologie-Analysesystems überprüft. Laut Richtlinie wird dies für Erythrozytenkonzentrate aus Vollblut stichprobenartig, abhängig von der Zahl der Spenden, durchgeführt. In Essen bedeutet dies etwa acht Überprüfungen im Monat.

Der Einsatz des Blood Bank modes hat laut Verena Börger einige Vorteile: Zuvor erfolgte die Bestimmung der Restzellzahl manuell per Nageotte-Kammerzählung unter dem Mikroskop. Dies konnte pro Probe bis zu 30 Minuten dauern, während der Blood Bank mode ein Ergebnis in drei Minuten liefert. Darüber hinaus war die Kammerzählung abhängig von der Person, die die Zählung durchgeführt hat, sowie von deren Erfahrung. Die vollautomatische Zählung mit dem XN-Analysesystem ist hingegen standardisiert und liefert zuverlässige Ergebnisse.

Neben den Vollblutspenden werden am Uniklinikum Essen jährlich rund 4.000 Thrombozytenspenden durch Apherese gesammelt. Dabei werden der Spenderin oder dem Spender nur die Blutplättchen (PLT) entnommen, das restliche Blut wird zurück in den Körper geführt. Im Gegensatz zum Bedarf an Vollblutspenden kann das Uniklinikum damit 95 Prozent des Bedarfs decken, erläutert Dr. Börger. Aus einer PLT-Apherese-Spende können dabei bis zu drei Thrombozytenkonzentrate gewonnen werden, abhängig von der Konzentration der Blutplättchen. Der Blood Bank mode wird bei jeder PLT-Apherese-Spende zur Ermittlung des Ertrags eingesetzt sowie stichprobenartig zur Überprüfung der Leukozytendepletion des Konzentrats.

„Nur durch die Spendenbereitschaft der Jüngeren können wir überhaupt noch den Mehrbedarf an Blutprodukten sicherstellen“

Dr. Verena Börger

Aber warum überhaupt Blut spenden?

Für eine Blutspende gibt es viele Gründe, wie das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Eine einzige Blutspende kann bis zu drei Menschen helfen. Und es hat auch gesundheitliche Vorteile, so kann regelmäßiges Blutspenden Bluthochdruck senken und damit zur Reduzierung von kardiovaskulären Erkrankungen beitragen. Bei jeder Spende gehört ein Gesundheitscheck dazu. Nicht nur die Gesundheit der spendenden Person steht hier im Fokus, es muss auch gewährleistet sein, ein möglichst sicheres und risikoarmes Blutprodukt zu erzielen. Wichtige Parameter wie Blutdruck und Hämoglobinwert werden vor der Spende überprüft. Nach der Spende erfolgt eine Überprüfung des Bluts auf verschiedene Krankheitserreger wie HIV und Hepatitis. Laut der Richtlinie Hämotherapie soll die Spende generell unentgeltlich erfolgen, aber oft gibt es eine geringe Aufwandsentschädigung.

Warum geht die Zahl der Blutspenden zurück?

Im Jahr 2023 wurde in Deutschland 3,7 Millionen Mal Blut gespendet. Das klingt viel, entspricht aber einem Rückgang von zehn Prozent gegenüber dem Jahr 2012. Einen Hauptgrund hierfür sieht Verena Börger im demografischen Wandel. „Die Babyboomer werden alt. Menschen dieser Generation haben eine andere Selbstverständlichkeit bei der Blutspende als Jüngere.“ Und immer mehr Spenderinnen und Spender werden selbst zu Empfängerinnen und Empfängern. Dabei benötigen etwa 70 Prozent aller Menschen einmal in ihrem Leben eine Blutspende oder daraus hergestellte Medikamente. Demgegenüber stehen rund drei Prozent der Bevölkerung, die regelmäßig spenden. In einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter allen Altersgruppen in 2018 wurden als Hauptursachen, nicht zur Blutspende zu gehen, Medikamenteneinnahme und gesundheitliche Gründe genannt – oder dass einfach nicht daran gedacht wurde. Nur knapp 30 Prozent der 18- bis 25-Jährigen sind überhaupt schon einmal zur Blutspende gegangen, während die älteren Jahrgänge bis 75 Jahre eine Quote von rund 50 Prozent aufweisen.

Die jüngere Generation

Doch wie erreicht man die jüngere Generation? Unterstützung bekommt hier das Institut für Transfusionsmedizin von Maskottchen Frieda, einem Plüschkänguruh, das auf dem Instagramkanal #blutspende_ume für Blutspenden wirbt. Außerdem gibt es Aktionen wie ein Sommerfest im Juni anlässlich des Weltblutspendetags oder eine Kooperation mit dem Musikfestival „Wacken Open Air“.

Der Aufruf zur Blutspende in der „Westfälischen Allgemeinen Zeitung“ war zum Glück erfolgreich. Danach stieg die Anzahl der Spendenden an und die Situation an der Uniklinik Essen entspannte sich. Doch dies müsse auch nachhaltig sein, so Verena Börger, denn gerade viele jüngere Spenderinnen und Spender kämen heute nur einmal und nicht regelmäßig, wie es bei älteren Generationen der Fall ist. „Wichtig ist die Botschaft, dass Blutspenden überlebenswichtig sind. Denn Blut kann künstlich nicht hergestellt werden. Nur durch die Spendenbereitschaft der Jüngeren können wir in Zukunft den Mehrbedarf der alternden deutschen Bevölkerung an Blutprodukten sicherstellen.“

SUMMARY

  • Der Bedarf an Blutspenden ist hoch, doch die Zahl der Spendenden geht zurück
  • Die Gewinnung der Blutprodukte unterliegt strengen Richtlinien, um deren Sicherheit zu gewährleisten
  • Neue Wege, etwa auf Social Media, sollen jüngere Menschen motivieren, zur Blutspende zu gehen
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