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Ready for Leitlinie?

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2023

Eine neue deutschlandweite multizentrische Studie bestätigt die Gleichwertigkeit beziehungsweise teilweise Überlegenheit von urinbasierten Markern zur Diagnostik des Harnblasenkarzinoms gegenüber der klassischen Zytologie. Im Interview spricht Studienleiter Priv.-Doz. Dr. Thorsten Ecke darüber, wie wahrscheinlich damit die Aufnahme der Markertests in die urologischen Leitlinien ist.

Interview Anja Lang

Herr Dr. Ecke, inwieweit haben sich Diagnostik und Therapie des Harnblasenkarzinoms in den letzten Jahren verändert?

Ehrlich gesagt, haben sich Diagnostik und Therapie gar nicht sehr verändert. Goldstandard ist immer noch, dass Patienten mit einem zystoskopisch gesicherten Harnblasentumor, die aufgrund einer Symptomatik mit schmerzloser Makrohämaturie zum Urologen gekommen sind, an uns überwiesen werden. Auch die Zytologie ist immer noch Goldstandard. Wobei sie bei uns in der Klinik eigentlich keinen hohen Stellenwert hat. Sie wird in der Ambulanz teilweise im Follow-up benutzt. Ich denke allerdings, dass urinbasierte Marker gerade im Follow-up sinnvoll sind, da sie in vielen Studien – unter anderem auch in unserer Studie – der Zytologie überlegen sind. In den Leitlinien sind derartige Tumormarker jedoch noch nicht verankert, was eine gewisse Problematik darstellt.

Bevor wir zu den Leitlinien kommen, noch eine Frage zum Screening auf Harnblasenkarzinom. Bis dato gibt es hier im Prinzip nur invasive Methoden oder eben urinbasierte Tests. Können Sie uns sagen, wann und nach welchen Kriterien diese im urologischen Alltag eingesetzt werden?

Das ist ganz unterschiedlich. Im klinischen Kontext werden urinbasierte Tumormarker eigentlich kaum eingesetzt, selbst auf Wunsch nur teilweise. In der Ambulanz sieht das deutlich anders aus, da viele Kollegen urinbasierte Marker zum Screening nutzen. Gerade bei Risikopatienten, die rauchen oder anderweitig exponiert sind, ist es durchaus sinnvoll, dass man versucht, ein hohes Risiko für einen Blasentumor zu detektieren.

Sie hatten angesprochen, dass die urinbasierten Tests aktuell noch nicht in den Leitlinien vertreten sind. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Offensichtlich reichen die vorliegenden Studien noch nicht aus, um einen Konsens dazu in den Leitlinienkommissionen zu finden. Das ist zwar etwas verwunderlich, da es sehr viele Studien auf dem Gebiet gibt. Diese sind aber sehr heterogen und es wurde oft nur jeweils einer der infrage kommenden Marker untersucht und dann im Idealfall nur mit der Zytologie verglichen.

Letztlich weiß man daher nach wie vor nicht, welcher Marker tatsächlich überlegen ist. Das haben wir mit unserer Studie versucht zu ändern.

Können Sie uns bitte mehr zu dieser Studie erzählen?

Wir haben eine deutschlandweite, multizentrische Studie durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie haben wir alle bekannten, kommerziell verfügbaren urinbasierten Schnelltests auf die Marker BTAstat, UBC Rapid und NMP22 jeweils miteinander verglichen und die Ergebnisse dem Goldstandard der Zytologie, die wir ebenfalls nach den geltenden Paris-Klassifikationen ausgewertet haben, gegenübergestellt. Dabei zeigte sich, dass die Marker oder zumindest einige der Marker der Zytologie gegenüber gleichwertig und in manchen Fragestellungen sogar überlegen sind. Insbesondere die Marker BTAstat und UBC Rapid zeigten sehr gute Sensitivitäten.

Die Daten, die Sie aus der Studie gewonnen haben, sprechen also dafür, dass die urinbasierten Tests in die Leitlinie aufgenommen werden sollten, richtig?

Ja, das ist meine persönliche Meinung. Wir haben die Daten bereits auf den großen Kongressen – dem der Deutschen (DGU) und der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) – vorgestellt und werden die finalen Daten auch dieses Jahr wieder beim europäischen Kongress präsentieren. Inwieweit man die Leitlinienkommission von den Zahlen überzeugen kann, wird sich zeigen. Die Publikation solcher Daten ist aber ein wichtiges Instrument. Für eine Verankerung urinbasierter Marker in den Leitlinien spricht darüber hinaus auch die Tatsache, dass die Zytologie – trotz aller Klassifikationsversuche – ein subjektives Verfahren ist. Der BTAstat beispielsweise ist dagegen ein objektiver Test und dazu noch sehr einfach in der Anwendung. Es muss nur etwas Urin direkt auf die Testkassette gegeben werden und man hat nach fünf Minuten das Ergebnis. Beim UBC ist die Auswertung über ein Point-of-Care-Gerät zwar etwas komplizierter, aber auch hier erfolgt die Auswertung objektiv.

Wie schätzen Sie persönlich die Entwicklung in der Krebsdiagnostik in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein?

Ich gehe fest davon aus, dass urinbasierte Marker in Zukunft ihren Platz im Rahmen der Nachsorge finden können und werden. Das geben die Zahlen jetzt schon her. Hier könnten webbasierte Tools mit der Eingabe von klinischen Daten und Markerergebnissen eine sogenannte „Risikostratifizierung“ ermöglichen. Wir haben bereits damit begonnen, Marker und klinische Daten in Zusammenhang zu bringen, um so gewisse Risikogruppen zu detektieren. Und spätestens seit der Pandemie kann ja jeder einen solchen Test auch selbst durchführen und damit sein individuelles Rezidivrisiko besser einschätzen. So kann ein positiver Wert zumindest als Warnsignal für eine weitergehende Diagnostik verstanden werden. Denn gerade im Setting des Follow-up ist es sehr wichtig, dass Patienten, denen es im Rahmen der Pandemie verwehrt war, ihre Follow-up- Untersuchung zu bekommen, jetzt einen konkreten Anhaltspunkt erhalten, ob sie die Zystoskopie noch mal aussetzen können oder aber bald wieder zum Urologen gehen sollten.

Herr Dr. Ecke, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch. Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

Das ist ein spannendes Feld, an den wir alle gemeinsam weiterarbeiten sollten. Wir dürfen neugierig sein, wie sich die Thematik weiterentwickelt.

Summary

  • Zur Diagnostik eines Harnblasenkarzinoms sind laut einer Studie urinbasierte Schnelltests der klassischen Zytologie teilweise überlegen
  • Studienleiter Dr. Ecke empfiehlt daher, urinbasierte Test auch in den Leitlinien zu verankern

Foto Julia Steinigeweg

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